NerdScore – Bewertungsgrundlagen

Lesedauer 6 Minuten

In diesem Artikel gebe ich euch einen Überblick über die Grundlagen meines Bewertungsschemas für Unternehmen, die für mich als Investition in Frage kommen. Es kommen 8 Kategorien zum Einsatz, die schließlich in den NerdScore münden.

Die Grundlage für meine Bewertung liegt natürlich in meinem persönlichen Investitionsansatz, und hängt von meinen Zielen ab. In meinem Fall ist das Ziel, großartige Firmen zu einem günstigen Preis zu kaufen und diese für einen langfristigen Zeitraum von mindestens einigen Jahren zu halten.

Da ich dabei jährliche Gewinne erzielen will, die „den Markt“ (repräsentiert durch Indizes wie den DAX, den S&P 500 oder den MSCI World) deutlich schlagen, bin ich dabei besonders interessiert an Firmen, die bezogen auf ihre Größe einen hohen Gewinn erzielen, und dabei möglichst auch schnell wachsen.

Insgesamt habe ich mir 8 Bewertungskategorien überlegt, die am Ende gleichwertig in den NerdScore eingehen.

Verständnis

Bevor ich jedoch in diese Kategorien einsteige, muss ich mir selbst erst einmal die grundsätzliche Frage stellen, ob ich das betreffende Unternehmen überhaupt verstehen kann — komplexe Unternehmen mit vielen Segmenten, deren zukünftige Entwicklung nur schwer durchschaubar sind, würden auf diesem Level schon aussortiert werden.

Im folgenden gehe ich davon aus, dass diese Stufe bereits überwunden ist. Wir gehen also direkt auf die 8 Bewertungskategorien ein:

Kapitalrendite

Eines der wichtigsten Kriterien für mich, daher bekommt es die Pole Position: Die Kapitalrendite ist grob definiert als der Unternehmensgewinn, geteilt durch das im Unternehmen vorhandene Kapital. Sie bestimmt langfristig meinen Gewinn als Aktionär, da sie direkt mit der möglichen Wachstumsrate bzw. dem erzielbaren Cashflow zusammenhängt. Daher möchte ich hier einen möglichst großen Wert sehen.
Für die Berechnung verwende ich entweder ROE (Eigenkapitalrendite) oder ROCE (Rendite bezogen auf eingesetztes Kapital), die ich in den verlinkten Instagram-Posts näher beschrieben habe. ROCE kommt zum Einsatz, falls sich bei der Berechnung des ROE Probleme ergeben, etwa durch vorhandene Schulden.

Die Punkte werden nach folgender Tabelle vergeben:

ROE/ROCE

<0%

<10%

<15%

<20%

>=20%

Punkte

1

2

3

4

5

Graben

Damit meine ich die vielzitierten Burggräben („Moats“), die der Firma einen möglichst dauerhaften Wettbewerbsvorteil verschaffen sollen. Ich setze dabei 5 verschiedene Moat-Kategorien an: Marke, Wechselaufwand, Niedrigpreis, „Zollbrücke“, sowie Wissen in Form von Patenten usw. Bewertet wird schließlich wie folgt:

Keine Moats: 1 Punkt.
Für jede zusätzlich vorhandene Moat-Kategorie: +1 Punkt
Bonus für Dauerhaftigkeit: Geschäftsmodell zeigt seit mindestens 5 Jahren Erfolg: +1 Punkt

Schulden

Die Schuldensituation des Unternehmens ist mir ebenfalls wichtig. Anders als in den vorigen Kategorien gehe ich hier allerdings zunächst von der vollen Punktzahl aus. Davon ausgehend, vergebe ich jeweils einen Punkt Abzug für jedes der folgenden Kriterien:

EBIT geteilt durch Zinszahlungen < 10
Langzeitschulden geteilt durch Free Cash Flow >4
Current Ratio <1
Eigenkapital <0

Ziel ist es, das finanzielle Risiko für die Firma abzuschätzen.

Wachstumschancen

Mit diesem Punkt will ich mich absichern, dass das Wachstum einer Firma in der Vergangenheit auch eine gute Chance hat, sich in die Zukunft fortzusetzen. Ich starte ebenfalls wieder bei der vollen Punktzahl von 5 Punkten und vergebe Abzüge für die folgenden Kriterien:

Firma ist Large Cap (weiteres Wachstum erschwert)
Firma ist Marktführer in einem stagnierenden Markt
Firma ist bereits international aufgestellt, mit ausgereifter Marktposition
Firma scheint nicht an Wachstum interessiert zu sein

EPS-Wachstum

Hier messen wir nun das tatsächlich stattfindende Wachstum, und zwar im Gewinn pro Aktie (Earnings per share). Wir fokussieren uns hier auf den Wert pro Aktie, um unbedingt auch Effekte durch Aktienrückkäufe und -emissionen mitzunehmen. Da sich Börsenbewertungen langfristig am Gewinnwachstum orientieren, bildet das EPS-Wachstum die Kursentwicklung der Aktie gut ab. Da das Wachstum oft jährlich schwankt, versuche ich jeweils, einen zuverlässigen und konservativen (!) Durchschnittswert zu finden. Hierbei berücksichtige ich auch Analystenschätzungen.

Die Bewertung findet wie folgt statt:

EPS-Wachstum

<0%

<5%

<10%

<20%

>=20%

Punkte

1

2

3

4

5

Management

Hier geht es um meine Einschätzung des Managements. Haben die Chefs in der Vergangenheit bewiesen, dass sie die Interessen der Aktionäre wahren? Ist ihr eigenes Vermögen an die Entwicklung des Unternehmens gebunden? (=besitzen sie einen großen Anteil Aktien?) Arbeiten sie schon lange im Unternehmen? Haben sie das Unternehmen vielleicht sogar gegründet? Gibt es eine leistungsbezogene Bezahlung? Orientiert sich diese an Maßzahlen, die für den Aktionär wünschenswert sind? (z.B. Erhöhung von FCF, ROE, EBIT-Marge etc.)
Hier gehe ich wiederum von der vollen Punktzahl aus und vergebe Abzüge für die folgenden Kriterien:

Häufige Wechsel im Management
keine Übereinstimmung mit den Aktionärsinteressen
schlechte Anreize
„Verschleierung“ (z.B. wie leserlich und nützlich ist der Jahresbericht?)

Kapitalnutzung

Bei diesem Kriterium geht es darum, wie gut das Management die erzielten Gewinne einsetzt? Werden diese ins Unternehmen reinvestiert? Werden Dividenden ausgezahlt oder Aktienrückkäufe getätigt? Sind diese sinnvoll angesetzt? Werden andere Unternehmen übernommen? Wenn ja, sind diese Übernahmen sinnvoll?

Abzüge gibt es hier für:
Ausschüttungsquote der Dividenden (bez. FCF) über 50%
Unternehmen beschränkt Wachstumschancen durch Dividendenzahlung
Schlecht getimete Aktienrückkäufe (bei hohem Aktienpreis)
Schlechte Firmenübernahmen (passen nicht zum Portfolio, überteuert, etc.)

Bedenken

Diese Kategorie ist ein Sammelbecken für mögliche Bedenken, die ich habe. Wo könnte ich falsch gelegen haben? Könnte es sein, dass der Moat des Unternehmens brüchig ist? Dass das Geschäftsmodel eine Disruption erfährt? Könnte eine Rezession dieses Unternehmen ausknocken? Ist mir etwas unangenehm aufgefallen? Ist das Unternehmen in einem politisch unzuverlässigen Land ansässig? Gibt es Währungsrisiken?
Auch: Gibt es womöglich buchhalterische Tricks, die die oben genannten Kennzahlen (ROE, EPS-Wachstum) pushen sollen?

Zusammenfassung

Nachdem ich Einzelwertungen für all die obengenannten Kriterien vorgenommen habe, werden diese gemittelt und ergeben so den NerdScore. Eine Punktzahl über 4.5 ergibt einen goldenen NerdScore, zwischen 4 und 4.5 gibt es Silber, zwischen 3 und 4 Bronze, und darunter „Nerdbraun“.

Schließlich möchte ich die folgenden Punkte betonen:
• Die Bewertungen stellen lediglich meine persönliche Meinung dar, keine Kaufempfehlung oder Anlageberatung.
• Die Bewertung ist auf meinen persönlichen Investitionsstil zugeschnitten.
• Das Bewertungssystem oder meine Wahrnehmung davon wird sich mit Sicherheit in Zukunft weiterentwickeln, d.h. frühere und spätere Bewertungen müssen nicht unbedingt vergleichbar sein.

Ich hoffe, ihr findet es trotzdem nützlich und könnt vielleicht die eine oder andere Idee herausziehen.

Sagt mir gerne eure Meinung zum NerdScore — ich bin immer bereit zu lernen!

Bitte beachtet meinen Disclaimer.

8 Gedanken zu „NerdScore – Bewertungsgrundlagen

  1. Hallo Daniel,

    deine Beiträge sind mir schön öfter positiv aufgefallen und ich bin ein großer Freund deiner Detailtiefe und der unternehmerischen Argumentation. Deshalb dachte ich mir, ich lasse mal einen Kommentar da 🙂
    Ich folge selbst ähnlichen Bewertungskriterien, verarbeite die einzelnen Komponenten aber nicht in eine finale Kennzahl wie deinen NerdScore, weil dadurch natürlich auch viele Informationen verloren gehen und ich mich mit einer angemessenen Gewichtung der einzelnen Kriterien schwer tun würde. Interessant zu wissen wäre an dieser Stelle noch, wie und wann das Ergebnis deiner Analyse zu einer Kaufentscheidung führt. Leitest du das streng aus dem finalen Score ab?

    Auch finde ich deinen Punkt „Bedenken“ sehr gut und auch sehr wichtig. Ich kann auch sehr empfehlen, diesen Teil der Analyse anhand einer Checkliste bzw. eines Kriterienkatalogs abzuarbeiten, den man im Laufe der Zeit immer wieder um weitere Punkte ergänzen kann. Zum Beispiel stand eines der Unternehmen, in das ich investiert war, vor kurzem vor einem Nasdaq Zwangs-Delisting, da der Kurs sich längere Zeit unter 1 USD bewegt hat. Seitdem prüfe ich solche Auflagen auch immer mit ab. Ein anderer Punkt wären z.B. offene größere Gerichtsverfahren oder Sammelklagen. Mag sein, dass viele das auch als Chance für einen günstigen Einstieg sehen. Ich denke aber, dass man als Privatinvestor zu wenig Insights hat, um solche legalen Themen jeweils adequat beurteilen zu können.

    Nutzt du deinen NerdScore auch für dich selbst oder nur um nach außen hin deine Bewertung verschiedener Unternehmen vergleichbarer zu machen? Die Netzdiagramm Darstellung gefällt mir jedenfalls sehr gut und ermöglicht einen schnellen und trotzdem recht umfassenden ersten Eindruck zur Bewertungslage. Insgesamt also ein sehr schöner Analyseprozess.

    Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Projekten und deinem Blog! Ich werde sicher regelmäßiger vorbeischauen 🙂

    Viele Grüße aus Hannover
    Jan von AktienUni.de

    1. Hallo Jan,

      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und das Lob! Die Gewichtung ist für mich tatsächlich auch nicht leicht festzulegen, daher habe ich mich für den Moment mit einer gleichen Gewichtung für jede Kategorie begnügt. Im Prinzip wäre es aber schon von Vorteil, wenn z.B. die völlige Abwesenheit von Moats, oder das Vorhandensein schwerer Bedenken die Gesamtbewertung stärker beeinflussen könnten. Vielleicht sollten solche Faktoren daher eher multiplikativ eingehen.

      Meine Kaufentscheidung würde ich nicht allein aus dem NerdScore ableiten, da z.B. auch der Kaufpreis gar nicht in die Bewertung eingeht. Der NerdScore dient mir eher dazu, eine auf einen Blick ersichtliche Bewertung eines Unternehmens zur Verfügung zu haben. Am Ende ist es natürlich immer besser, die Details im Blick zu haben und sich nicht nach einer einzigen Kennzahl zu richten.

      Die Idee mit der Bedenken-Checkliste finde ich sehr gut, vielen Dank für die Anregung!

      Dir auch weiterhin viel Erfolg! Mir war neulich auch schon bei einem deiner Beiträge aufgefallen, dass zwei der von mir untersuchten Unternehmen auch bei dir als unterbewertet gelistet waren, es scheint also eine Resonanz zu geben. 😉

      Viele Grüße,
      Daniel

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