Wieviel darf Wachstum kosten? Teil 1: Unternehmensmodell.

Beitragsbild Unternehmensmodell
Lesedauer 6 Minuten

Intro – was will diese Serie?

Wachsende Unternehmen fair bewerten – aber wie? Der Titel deutet es schon an: Dieser Artikel ist Teil einer neuen Serie, die genau dieser Frage nachgeht.

Im Artikel zur ewigen Rente habe ich eine einfache Formel zur Abschätzung des fairen Werts eines Unternehmens vorgestellt. Das Wachstum lässt sich darin auch berücksichtigen – jedoch mit engen Grenzen, was die Gültigkeit der Formel betrifft.

Dieses Problem gehen wir nun an. Anstatt aber einfach eine neue Faustregel vom Himmel fallen zu lassen, will ich genau zeigen, wie sich das Wachstum im Wert eines Unternehmens niederschlägt. Damit will ich euch ein besseres Gefühl dafür vermitteln, welche Preise sinnvoll sind, vor allem aber, welche nicht.

GARP – Fairer Preis für Wachstum.

Ich folge hierbei dem Ansatz des „GARP“, also dem „Wachstums zu einem vernünftigen Preis“ (growth at a reasonable price). Die Idee: Wenn eine Firma schnell wächst, ist es in Ordnung, mehr für ihre Aktien zu bezahlen – denn die Belohnung wird später um so größer ausfallen. Aber wieviel mehr? Und wie stellen wir sicher, dass wir keine unplausiblen Annahmen treffen?

Um einen vernünftigen Preis zu bestimmen, bedienen wir uns der DCF-Methode, die zukünftige Gewinne immer stärker abwertet, je weiter diese in der Zukunft liegen1Genau genommen arbeitet die DCF mit dem Free Cash Flow, oder auch mit den Owner Earnings. Der Einfachheit halber verzichte ich hier auf diese Unterscheidung und verwende die Begriffe Gewinn und Cashflow synonym. Der Fokus soll hier ganz auf der Bewertung des Wachstums liegen..

Bevor wir allgemeine Aussagen treffen können, müssen wir deren Vergleichbarkeit sichern: Zur DCF-Methode gehört es, eine Vorhersage über die künftige Gewinnentwicklung des Unternehmens zu treffen. Für diese Artikelserie wählen wir ein ganz bestimmtes Unternehmensmodell, das wir mit verschiedenen Wachstumsraten füttern können.

Modell: konstantes Wachstum, danach konstante Cashflows

Für die Betrachtungen in diesem Experiment ziehen wir ein Unternehmensmodell heran, das wie folgt funktioniert:

Unser Unternehmen wächst zunächst mit einer konstanten Wachstumsrate, für eine festgelegte Anzahl Jahre. Danach geht das Unternehmen in eine Phase konstanten Gewinns über, und es findet kein weiteres Wachstum statt.

In Abb. 1 ist dieses Modell für ein Unternehmen mit 5% jährlichem Wachstum über eine Zeitspanne von 10 Jahren dargestellt. Annahme hierbei: In „Jahr 0“ beträgt der Gewinn 1€.

Cashflows füy Unternehmensmodell, 5% Wachstum.
Abb. 1: Unternehmen mit 10 Jahren Wachstum von 5% jährlich, danach mit konstantem Cashflow.

In die Bewertung des Unternehmens gehen nicht die „nackten“ Cashflows ein, sondern die abgezinsten. Diese sind in Abb. 1 als orange Linie und Punkte gezeigt. Gut zu erkennen: Während der 10jährigen Wachstumsphase schrumpfen die abgezinsten Cashflows langsamer, weil das Wachstum gegen die Abzinsung arbeitet.

In der Phase mit konstanten Cashflows wirkt die Abzinsung dann ungebremst.

Unternehmen mit schnellem Wachstum

Wir erinnern uns: Als wir die ewige Rente auf Apple (mit 12,3% jährlichem Wachstum) anwenden wollten, kam es zu Problemen: Da die Cashflows schneller wachsen als wir abzinsen, gibt die ewige Rente ein unsinniges Ergebnis. Mit dem neuen Modell haben wir dieses Problem nicht mehr. In Abb. 2 ist dargestellt, wie das Unternehmensmodell in diesem Fall aussieht.

Cashflows für Unternehmensmodell, Wachstum 12,3%.
Abb. 2 Cashflows für ein Unternehmen mit 12,3% jährlichem Wachstum für 10 Jahre, gefolgt von konstantem Wachstum.

Jetzt haben wir schnelles Wachstum, etwa um einen Faktor 3 in 10 Jahren. Selbst die abgezinsten Cashflows wachsen jetzt mit jedem Jahr, bis das Unternehmen in die konstante Phase übergeht. Danach nehmen die abgezinsten Cashflows von dem nun erhöhten Niveau ausgehend ab.

Größenwachstum und Plausibilität

Mit dem gewählten Unternehmensmodell haben wir im Vergleich zur ewigen Rente einen wichtigen Schritt gemacht: Wir können jetzt auch stark wachsende Unternehmen berücksichtigen, jedoch mit der „Realitätsbedingung“, dass dieses Wachstum irgendwann zum Erliegen kommt. Bei der ewigen Rente können zwar Wachstumsraten berücksichtigt werden, diese erstrecken sich allerdings immer bis ins Unendliche. Gerade bei starkem Wachstum wird das problematisch.

Wie groß ein Unternehmen bei einer bestimmten Wachstumsrate wird, ist in Abb. 3 dargestellt. Achtung, die y-Achse ist logarithmisch! Ein Unternehmen, das jedes Jahr um 30% zulegt, ist zum Beispiel nach 17 Jahren Wachstum etwa 100mal so groß wie zu Beginn. Verdoppelt sich ein Unternehmen hingegen jedes Jahr (d.h. 100% Wachstumsrate), so ist ein Faktor 100 bereits nach 7 Jahren erreicht. Nach 20 Jahren wäre das Unternehmen bereits um das Millionenfache gewachsen. In Abb. 4 ist dieselbe Grafik noch einmal für die kleineren Wachstumsraten bis 10% gezeigt.

Größenwachstum je nach Wachstumsrate.
Abb. 3: Größenzunahme eines Unternehmens bei Wachstum mit konstanter Rate.

Für die Unternehmensbewertung ist es entscheidend, vor allem die höheren Wachstumsraten nicht bis in alle Ewigkeit laufen zu lassen. Die Übernahme der Weltherrschaft wollen wir schließlich nicht bei jedem Unternehmen mit einpreisen. Die Folge solcher überschwänglicher Annahmen wäre, dass wir zu unkritisch in unserer Einschätzung würden, und jeden beliebigen Preis rechtfertigen könnten.

Größenwachstum je nach Wachstumsrate (für kleinere Raten).
Abb. 4: Gleiche Darstellung wie in Abb. 3, mit Fokus auf die niedrigeren Wachstumsraten bis 10%.

Fazit

In diesem Artikel habe ich die Grundlage für mein Experiment zum Thema „Wieviel darf Wachstum kosten?“ gelegt. Es wurde ein einfaches Unternehmensmodell eingeführt, mit dem gleich zwei Probleme der ewigen Rente behoben werden:

  • Unsere Unternehmen bleiben immer endlich groß.
  • Die Wachstumsraten können größer als die Discountrate sein.

Damit ist das Tischchen gedeckt, und wir können uns im nächsten Teil des Artikels der Bewertung von Unternehmen mit verschiedenen Annahmen widmen. Außerdem werden wir einige reale Unternehmen betrachten. Für die folgenden Teile habe ich noch ein paar weitere hübsche Ideen, die ich aber noch nicht verraten will. Seid also gespannt.

Für Feedback, Wünsche, und Verbesserungsvorschläge etc. bin ich natürlich wie immer offen. Haltet euch also nicht zurück, und teilt gerne diesen Artikel mit Interessierten. Habt ihr vielleicht sogar ein eigenes Unternehmensmodell zu bieten, das ich ausprobieren könnte? Lasst es mich gerne wissen.

Nächster Teil: Fairer Preis je nach Wachstum. Was bedeutet das für reale Unternehmen?


Bitte beachte meinen Disclaimer.

2 Gedanken zu „Wieviel darf Wachstum kosten? Teil 1: Unternehmensmodell.

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