Investieren je nach Zeitaufwand – das sind die Optionen

Lesedauer 8 Minuten

Ich habe keine Ahnung davon. Keine Zeit, keine Lust, kein Geld, mich damit zu befassen. Das sind häufige Gründe, aus denen Leute das Investieren auf die lange Bank schieben. Es waren auch meine Gründe. Und doch kann man mit geringem Aufwand am Börsengeschehen teilhaben. In diesem Artikel zeige ich auf, was mit wieviel Zeitaufwand machbar ist.

Investieren ist für mich ein tägliches Hobby: Ich befasse mich mit Unternehmen und deren Aktien, betreibe Optionshandel. Außerdem lese und höre ich  viel über alle möglichen verwandten Themen. Soviel Zeitaufwand muss man also treiben, wenn man von der Börse profitieren will? Nicht unbedingt.

Angefangen habe ich ganz anders: mit der Investition in einen ETF, also einen börsengehandelten Fonds. Das ließ sich mit wenigen Stunden Zeitaufwand einrichten. Welche Möglichkeiten gibt es für jemanden, der in die Börse hineinschnuppern will? Was sollte man dabei wissen? Diese Fragen beleuchte ich im heutigen Artikel.

Investieren je nach Zeitaufwand

Option 1: ETF-Sparplan – Zeitaufwand einige Stunden

Eine einfache und sehr beliebte Möglichkeit ist es, mit einem Sparplan monatlich Geld in einen ETF zu investieren. Ein ETF ist ein Fonds, der wie eine Aktie an der Börse gehandelt wird. Man braucht hierfür eine Depotbank, also ein Bankkonto, das den Handel an der Börse ermöglicht. Viele der gebräuchlichen Banken bieten diese Möglichkeit selbst. Es gibt aber auch viele spezialisierte Anbieter, wie flatex, Trade Republic und Co.

Ein ETF bildet in der Regel einen Index nach, z.B. einen der bekannten Börsenindizes wie den DAX, den S&P500 oder den Dow Jones. Oft gewählt wird der MSCI World Index, der aus 1600 weltweit verteilten Unternehmen besteht – allerdings mit Schwerpunkt auf den USA.

Hat man ein Depot, und einen ETF ausgewählt, braucht man sich nur noch einen Sparplan einrichten, über den monatlich ein fester Betrag in den ETF gesteckt wird. Vorteil dabei: Fallen die Aktienkurse, werden automatisch mehr Anteile gekauft, und umgekehrt („Dollar cost averaging“-Effekt). Anhand des Renditedreiecks von Christian W. Röhl kann man nachvollziehen, dass man bei genügend langer Haltedauer (ab etwa 10-15 Jahren) in den letzten Jahrzehnten so gut wie immer einen Gewinn erzielt hätte, unabhängig vom genauen Einstiegszeitpunkt.

Diese Betrachtungsweise hat aber auch einen Schwachpunkt: Niemand kann die Zukunft vorhersehen. Als reiner ETF-Investor ist man auf das langfristige Wohlergehen des Gesamtmarktes angewiesen, und man eignet sich kein Wissen an, mit dem man dieses Problem umschiffen könnte.

Auch wenn alles glatt läuft, muss man mit einem vorübergehenden Verfall der Aktienkurse leben können. Während eines „Investorlebens“ wird das immer wieder mal vorkommen, und auch durchaus schmerzhaft sein: In der 2007er Finanzkrise erlitten die Aktienmärkte Verluste von teils über 50%. Die Erholung dauerte mehrere Jahre.

Option 2: Spezielle ETFs und Kombinationen – Zeitaufwand einige Stunden jährlich

Wer etwas mehr Kontrolle haben will, kann dies durch Kombination mehrerer ETFs realisieren. Eine beliebte Variante ist es, die US-Lastigkeit des MSCI World Index auszugleichen, indem auch in einen ETF investiert wird, der den MSCI Emerging Markets Index abbildet, z.B. in einem Verhältnis von 70:30. Dabei werden 70% der Sparrate in den einen ETF, 30% in den anderen ETF gezahlt. Mit den Emerging Markets kommen Länder wie China, Brasilien, Russland, und weitere ins Boot.

Eine andere Variante ist es, spezielle ETFs auszuwählen. Beispielsweise gibt es viele ETFs, die eine bestimmte Branche abdecken, z.B. den US-Ölsektor, Goldminen, oder ähnliches. Auch gibt es Varianten der großen Indizes, bei denen der Index mit einer anderen Gewichtung berechnet wird, oder Firmen nach bestimmten Kriterien gewählt werden, was Vorteile bringen kann.

Den erhöhte Zeitaufwand benötigt man für die Recherche, um die ETFs auszuwählen. Als Faustregel gilt: Größere ETFs mit mehr investiertem Vermögen, die schon länger bestehen, haben eine bessere Chance, auch in Zukunft noch zu existieren. Kleinere ETFs, die sich finanziell nicht rentieren, werden von ihren Anbietern eher wieder aufgelöst, oder in andere ETFs übergeführt.

Je nach Geschmack kann außerdem noch ein regelmäßiges „Rebalancing“ nötig werden. Beispiel: Man startet mit einem Verhältnis von 70:30 MSCI World zu MSCI Emerging Markets. Entwickelt sich in einem Jahr der letztere Index deutlich besser, hat man eventuell nun ein Verhältnis von 60:40 im Depot vorliegen. Will man aber den 70:30-Mix aufrecht erhalten, so muss man jetzt etwas vom Emerging-Markets-ETF verkaufen oder umschichten.

Option 3: Aktiver Fonds oder Wikifolio – Wenig Zeitaufwand, viel Vertrauen

Bei aktiven Fonds und auch Wikifolios, wie ich selber eines anbiete, ist der Vorteil, dass man als Anleger ebenfalls mit sehr geringem Zeitaufwand klar kommt, und sich eine bessere Performance im Vergleich zum breiten Markt erhofft.

Bei diesem Ansatz gibt es einen Fondsmanager (oder „Wikifolio-Trader“), der aktiv über den Kauf und Verkauf von Aktien oder anderen Finanzinstrumenten entscheidet. Häufig sind die Gebühren deshalb deutlich höher als bei den passiven ETFs.

Für mich ist der wichtigste Faktor bei diesem Investment-Stil jedoch das Vertrauen zum Manager. Ein schwieriger Punkt – denn wie kann man als Anfänger beurteilen, wem man das eigene Geld anvertraut? Auf dem Papier klingen sicher viele Ansätze gut.

Hier helfen folgende Punkte:

  • Track-Record: Wie lange besteht der Fonds oder das Wikifolio schon? Wurde während dieser Zeitspanne ein Gewinn erzielt, der die höhere Gebühr rechtfertigt?
  • Ist die Strategie plausibel?

Den ersten Punkt kann man entweder aus dem Fondsprospekt nachvollziehen, oder aus den öffentlich verfügbaren Wikifoliodaten. Ob gute Performance jedoch aus einer plausiblen Strategie erzeugt wurde, oder nur durch Glück, ist schon schwieriger zu beurteilen.

Daher würde ich den Ansatz über einen aktiven Fonds/Wikifolio nicht für komplette Anfänger empfehlen. Als erfahrener Börsianer, der den eigenen Zeitaufwand reduzieren möchte, kann man die Herangehensweise eines aktiven Managers besser beurteilen und so eine fundierte Wahl treffen.

Option 4: Sparpläne auf Einzelaktien – wenig Aufwand, fragwürdiges Ergebnis

Auf Social-Media-Kanälen sieht man viele User, die mittels Sparplänen in Einzelaktien investieren. Das finde ich für Anfänger aus mehreren Gründen problematisch. Denn die Verfügbarkeit von Sparplänen auf Einzelaktien signalisiert womöglich, dass man hier ohne Wissen, aber guten Gewissens investieren kann.

Was dabei ausgeblendet wird: Auch das beste Unternehmen kann eine miserable Investition sein, wenn zum Höchstpreis gekauft wird. Auch großartige Unternehmen können schlechte Zeiten durchleben, sich z.B. am Kauf eines anderen Unternehmens verheben. Auch alteingesessene Firmen können bankrott gehen – wie z.B. General Motors im Jahr 2009.

Wer sonst nur ETF-Sparpläne hat, wird eventuell dazu verleitet, rein nach Sympathie Einzelunternehmen auszuwählen, die dann ebenfalls bespart werden – das kann in die Hose gehen. Meine Devise lautet daher: wenn Einzelunternehmen, dann nur mit Recherche und tiefem Verständnis der Qualitäten und der derzeitigen Bewertung des Unternehmens.

Option 5: Einzelkäufe von Einzelaktien – viel Aufwand, viel Kontrolle

In diesem Bereich bewege ich mich am allerliebsten. Käufe werden dabei „opportun“ ausgeführt, d.h. wenn es tolle Unternehmen zu günstigen Preisen zu haben gibt. Ich folge dabei dem Ansatz des Focus Investing, d.h. eine konzentrierte Investition in wenige (sagen wir, maximal 10) Unternehmen, die ein stabiles Geschäftsmodell und gute Zukunftsaussichten haben.

Hier ist die ausführliche Recherche wichtig – je nach Kenntnisstand und Vertrautheit mit der Branche kann sich eine Recherche durchaus über Wochen hinziehen. Eile ist aber auch häufig nicht geboten: Meistens sind gute Unternehmen nicht zu günstigen Preisen zu haben. Man agiert aber mit Voraussicht und langfristiger Einstellung, denn das Marktgeschehen gleicht oft den Gezeiten.

Manchmal bekommt man die gewünschten Unternehmen eben doch zum Schleuderpreis – wer dann seine Hausaufgaben schon gemacht hat, kann einsteigen und bessere Ergebnisse erzielen als der breite Markt. Warren Buffett und viele andere Investoren machen es vor.

Die Psychologie des Investors spielt hier eine mindestens ebenso große Rolle wie die ausführliche Beschäftigung mit der Materie. Man muss es aushalten, wenn Aktien durch die Decke gehen, in die man niemals investieren würde. Man muss es aushalten, wenn Aktien, die schon zu teuer sind, anderen Leuten immer noch saftige Gewinne bringen, während man von der Seitenlinie zusieht.

Fazit

Wie ich dir hoffentlich deutlich machen konnte, gibt es viele verschiedene Arten, zu investieren. Selbst diejenige mit dem geringsten Zeitaufwand (Sparplan auf einen MSCI World-ETF) hat in der Vergangenheit jeden Sparbuchzins in den Schatten gestellt.

Ich persönlich habe aber auch die Erfahrung gemacht: Beim Essen kommt der Appetit. Die Beschäftigung mit Börse und Co. ist ein Eingangstor zu einer ganzen Welt an Wissen über Unternehmen, Psychologie und menschliche Verhaltensweisen – für mich inzwischen jeden Tag eine Bereicherung. Vielleicht auch für dich?

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