Die „ewige Rente“ zur Firmenbewertung – und wann es hakt

Effekt des Abzinsens auf zukünftige Cashflows
Lesedauer 7 Minuten

Den Wert eines Unternehmens berechnen… als Anfänger weiß man oft gar nicht, wo man überhaupt ansetzen soll. Und doch gibt es Faustformeln wie die „ewige Rente“, die man im Handumdrehen anwenden kann – ohne Stift und Papier. Wie das geht, und wann man damit vorsichtig sein muss, zeige ich heute.

Das Prinzip unserer Methode hat Warren Buffett am geradlinigsten formuliert:

Intrinsic value can be defined simply: It is the discounted value of the cash that can be taken out of a business during its remaining life.

Der innere Wert eines Unternehmens kann einfach definiert werden: Er ist der abgezinste Wert der Barmittel, die aus dem Unternehmen entnommen werden können, solange es fortbesteht.

Berkshire Hathaway Owner’s Manual

Unsere Faustformel der Wahl ist daher die sog. „ewige Rente“. Sie ergibt sich aus der DCF-Methode, die genau die oben von Buffett zitierte Vorgehensweise umsetzt.

Die Idee: Das Unternehmen produziert einen positiven Cashflow, aus dem uns Aktionären Bonbons wie Dividenden und Aktienrückkäufe finanziert werden. Den gesamten zukünftigen Cashflow nehmen wir daher zur Berechnung des inneren Werts des Unternehmens her.

Da wir Geld lieber jetzt sofort bekommen als später, werden zukünftige Cashflows jedes Jahr mit einem Zinssatz \(Z\) abgewertet, den ich am liebsten Discountrate nenne. Addieren wir die abgezinsten Cashflows \(C\) für alle zukünftigen Jahre bis „Jahr N“, erhalten wir diese etwas abschreckend aussehende Formel:

\(W=\frac{C_1}{1+Z}+\frac{C_2}{(1+Z)^2}+\frac{C_3}{(1+Z)^3}+…+\frac{C_N}{(1+Z)^N}\)

Nun kommt der Trick, der diese Formel erst so richtig handlich macht: Wir nehmen an, dass sich diese Reihe bis in alle Ewigkeit fortsetzt – sie nennt sich dann eine geometrische Reihe. Natürlich, wir leben nicht ewig. Da wir aber mit jedem Jahr weiter abzinsen, fallen Beträge weit in der Zukunft kaum ins Gewicht. In Abb. 1 ist der Effekt des Abzinsens dargestellt.

Abb. 1: Wirkung des Abzinsens auf einen konstanten Cashflow. Je weiter in der Zukunft, desto geringer sein Beitrag zum heutigen Unternehmenswert.

Die „ewige Rente“

Führen wir die Reihe bis ins Unendliche fort, geht die geometrische Reihe von oben in eine einfache Formel* über:

\(W=\frac{C_1}{Z}\)

Schon praktischer. Jetzt können wir also aus dem derzeitigen jährlichen Cashflow den Wert eines Unternehmens berechnen, einfach indem wir durch die Discountrate teilen.

Ein Beispiel: Apple hatte im Jahr 2020 einen Free Cashflow von $73,3 Mrd. Wir wählen der Einfachheit halber eine Discountrate von 10% (in der Formel als 0,1 einzusetzen). Damit erhalten wir als Unternehmenswert $733 Mrd. – also einfach das Zehnfache des Cashflows.

Das Ganze lässt sich genauso auf eine Einzelaktie anwenden. Auf eine einzelne Aktie bezogen war der Free Cashflow $4,19. Wir wenden dieselbe Formel an, und erhalten einen inneren Wert der einzelnen Aktie von $41,90.

Weil wir für die Rechnung einen konstanten Cashflow bis in alle Ewigkeit annehmen, nennt sich diese Faustformel die „ewige Rente“. Über die Wahl der Discountrate lässt sich streiten – aber das verdient einen eigenen Artikel. Persönlich bevorzuge ich einen Wert von 10%. Praktischer Nebeneffekt: Die Berechnung der ewigen Rente ist damit so einfach wie eben gezeigt.

Wachsender Cashflow

Was aber, wenn der Cashflow nicht gleich bleibt, sondern die Firma wächst? Auch diesen Umstand kann man in der Formel berücksichtigen, und zwar, indem man die Wachstumsrate \(W\) des Cashflows von der Discountrate abzieht:

\(W=\frac{C_1}{Z-W}\)

Wächst das Unternehmen also in etwa wie die Inflation mit 2% pro Jahr, würden wir also statt durch 0,1 durch 0,08 teilen, bzw. mit 12,5 multiplizieren. Unter dieser Annahme ergäbe sich also ein Wert von $52,32 pro Apple-Aktie.

In der folgenden Tabelle ist dargestellt, mit welchem Faktor man den Free Cashflow bei verschiedenen Wachstumsraten multiplizieren müsste:

Wachstumsrate1%2%3%4%5%
Faktor11,112,514,316,720
Faktoren für die ewige Rente je nach Wachstum. Annahme: Abgezinst wird mit 10% Discountrate.

In Abb. 2 ist grafisch dargestellt, wie sich ein jährliches Wachstum von 5% auf den realen und den abgezinsten Cashflow auswirkt. Da wir mit 10% abzinsen, gehen die Beiträge von Cashflows weit in der Zukunft immer noch gegen Null, obwohl die realen Cashflows wachsen.

Abb. 2: Reale und auf heute abgezinste Cashflows bei 5% jährlichem Wachstum.

Wo die Faustformel versagt

Schöne Sache. Dann betrachten wir doch einmal das reale Wachstum von Apple: Zwischen 2017 und 2020 hatte Apples Free Cashflow eine Wachstumsrate von 12,3% jährlich. Würden wir das in die Formel einsetzen, erhielten wir für den Unternehmenswert von Apple eine negative Zahl. Was ist da los?

Wir haben die Achillesferse dieser Formel gefunden: Ist das Wachstum so schnell, dass es in den Bereich der Discountrate kommt (oder diese sogar überschreitet), dann dürfen wir die Cashflows nicht mehr bis in alle Ewigkeit aufaddieren.

Abb. 3: Bei 12,3% Wachstum wird nicht mehr schnell genug abgezinst, und die Cashflows, aufaddiert bis ins Unendliche, würden einfach einen unendlich hohen Unternehmenswert ergeben.

Das ist logisch nachvollziehbar: Zum einen wachsen die Cashflows dann schneller als wir abzinsen. Und andererseits: Wächst die Firma z.B. mit 30% jährlich, würde sich die Größe der Firma innerhalb von 24 Jahren jeweils vertausendfachen. Da die Erde nicht mitwächst, lässt sich so ein schnelles Wachstum nur begrenzt lange aufrecht erhalten. In Abb. 3 ist dies sichtbar gemacht – mit einer logarithmischen Achse, da sich dieses Wachstum über so lange Zeit sonst nicht gut darstellen lässt.

Aber selbst bei 5% Wachstumsrate würde ich die „ewige Rente“ nur mit Vorsicht einsetzen: Vergleicht man den so erhaltenen fairen Wert mit einer Rechnung, bei der das Wachstum der Firma nach 10 Jahren stoppt, so ergibt die ewige Rente einen 50% höheren Wert. Man erhält also bei höheren Wachstumsraten tendenziell zu optimistische Ergebnisse.

Was nun?

Selbst bei einer moderat schnell wachsenden Firma wie Apple beißen wir also leider besser in den sauren Apfel und benutzen die unschöne Formel von oben, mit einer realistischeren Annahme für die Cashflows. Das dürften wohl die wenigsten Leute noch im Kopf machen, und man muss einen Spreadsheet heranziehen.

Aber lassen sich vielleicht auch für solche Fälle brauchbare und ausreichend konservative Faustformeln entwickeln? Dieser Frage will ich mich in nächster Zeit für euch widmen.

Bis dahin, lasst euch aber beruhigen, denn es gibt auch viele Unternehmen, die eher gemächlich wachsen (besonders wenn man über mehrere Jahre mittelt). Diese lassen sich mit der ewigen Rente gut betrachten – besonders, wenn es nur um eine erste Abschätzung geht.

Und was schneller wachsende Unternehmen angeht: „Stay tuned“, denn dazu werde ich mir einige Gedanken machen. Bis dahin, vielen Dank für’s Reinlesen und macht es gut!


Anmerkung 6.8.2021

* Achtung: Wer hier einen Faktor \((1+Z)\) auf der rechten Seite vermisst: Dieser „fehlt“, weil die geometrische Reihe erst ein Jahr in der Zukunft beginnt, d.h. die Cashflows beginnen erst in einem Jahr. Würde man auch noch den „nullten“ Cashflow mitnehmen, ergäbe sich ein um 10% größerer Wert.

Bitte beachte meinen Disclaimer.

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